Die Fußball-WM in Südafrika verfolgt Til Schweiger (46) ganz genau – nicht nur, weil in jeder Halbzeitpause “Braun”-Werbespots mit ihm laufen. Der Schauspieler und Regisseur (“Der bewegte Mann“, “Zweiohrküken“) spielte in seiner Jugend lange selbst im Verein Fußball.
WELT ONLINE: Bei der Fußball-WM 2006 begleitete Sönke Wortmann die deutsche Mannschaft hautnah und drehte den Film zum “Sommermärchen“. Würde Sie als Regisseur ein solches Projekt auch einmal reizen, Herr Schweiger?
Til Schweiger: Das würde sicher richtig Spaß machen, keine Frage.
WELT ONLINE: 2006 war Joachim Löw noch Komparse Jürgen Klinsmanns, inzwischen ist er selbst Bundestrainer. Halten Sie ihn für einen guten Regisseur des deutschen Fußballs?
Schweiger: Er ist zumindest der bestaussehende Trainer, den wir je hatten. Aber mal im Ernst: Ich halte ihn wirklich für einen großartigen Fußballlehrer.
WELT ONLINE: Also wäre es richtig, ihn über die WM hinaus im Amt zu behalten, wie es DFB-Präsident Zwanziger gern hätte?
Schweiger: Unter Löws Führung spielt Deutschland den attraktivsten Fußball seit langem, daher wäre es gut, wenn er bleibt. Wenn er erfolgreich ist, legen sie ihm sowieso die Welt zu Füßen, wenn Deutschland aber im Achtelfinale oder früher rausfliegt, wird er wohl rasiert.
WELT ONLINE: Wären Sie selbst gern Fußballprofi geworden?
Schweiger: Bis ich mit 19, 20 Jahren zum Bund musste, habe ich in der Bezirksliga beim TSF Heuchelheim gespielt. Aber da war nie ein Scout, der mir einen Sichtungslehrgang empfohlen oder einen Wechsel zum Bayern-Nachwuchs angeboten hätte (grinst).
WELT ONLINE: Aber Sie erinnern sich trotzdem gern an Ihre Fußballzeit?
Schweiger: Bis zur B-Jugend haben wir samstags gespielt, nach dem Duschen und der Mannschaftssitzung haben wir anschließend noch gemeinsam „Sportschau“ geguckt, das war ein Ritual, das fürs Leben geprägt hat. Nie vergessen werde ich auch, dass ich in einem Pokalhalbfinale mal einen entscheidenden Elfmeter verschoss: Ich war danach wochenlang fertig, so etwas vergisst man sein Leben nicht. Podolski geht es sicher ähnlich.
WELT ONLINE: Hatten Sie ein Vorbild, dem Sie nacheifern wollten?
Schweiger: Mein Lieblingsspieler war eindeutig Karlheinz Förster, damals gab es ja noch Vorstopper, und er war nun mal der Weltmeister des Tacklings. Was der alles weggegrätscht hat, ohne Foul zu spielen, hat mich sehr beeindruckt. Wohl auch deshalb bin ich irgendwann Verteidiger geworden, obwohl ich anfangs Linksaußen gespielt hatte. Zudem fand ich Kalle Rummenigge super und Kalle Riedle, weil der immer so gut aussah (grinst). Bis heute spiele ich übrigens gern Fußball, so zum Spaß. Allerdings ist mir 2006 bei einem Benefizspiel von Michael Schumacher die Achillessehne gerissen. Das ist die Höchststrafe, nicht nur für Fußballprofis. Anders als diese, die dann sechs Monate nicht anderes als Reha machen, weil es ihr Beruf ist, laboriere ich bis heute daran.
WELT ONLINE: Aber Fan sind Sie immer geblieben.
Schweiger: Auf jeden Fall, auch wenn ich nicht jedes Wochenende ins Stadion gehe oder mir auf Sport1 jede Pressekonferenz von Louis van Gaal reinziehe. Aber ich schaue schon viele Spiele im Fernsehen, heutzutage kann man das per Internet ja auch zeitversetzt tun. Bei der EM 2008 haben wir die Dreharbeiten zu “1 1/2 Ritter“ trotz unserer Reisen quer durch Sachsen und Bayern immer so organisiert, dass wir die Spiele nicht verpassen. Ich habe allen 70 Leuten am Set ein rotes DFB-Trikot gekauft – die sahen nach meinem Geschmack viel besser aus als die weißen – und dann haben wir zusammen die Spiele im Fernsehen geguckt. Das war toll.
WELT ONLINE: Wie erklären Sie sich diese verbindende Kraft des Fußballs?
Schweiger: Weil hier jeder damit als dem populärsten Sport aufwächst, keiner kann sich entziehen. Und bei der WM 2006 kam dann noch hinzu, dass sich das Bild Deutschlands in der Welt grundlegend geändert hat. Früher gab es immer nur die hohe Flanke von Kaltz und – wenn zufällig jemand dastand – ein Kopfballtor. Auf einmal spielten unsere Jungs modernen, attraktiven Fußball, wie es die Welt von uns noch nie gesehen hat. Und das machte allen dann noch mehr Spaß.
WELT ONLINE: Und macht es immer noch, wie die farbenprächtige Dokumentation des neuen Nationalstolzes auch bei dieser WM zeigt.
Schweiger: Genau, es ist nicht mehr so verpönt, sich mal eine Deutschland-Flagge in den Garten zu stellen oder ans Auto zu klemmen, wir haben das damals auch gleich getan. Endlich wird niemand mehr verdächtigt, deswegen gleich ein Nazi zu sein. Das finde ich gut, für mich war 2006 dadurch die beste WM aller Zeiten, dieses Turnier hat den griesgrämigen Ruf unseres Landes in der Welt widerlegt. Dieser Ruf hing natürlich mit der Geschichte zusammen, aber nun zeigte sich hier eine Generation mit neuem Selbstbewusstsein, die mit der Geschichte unmittelbar nichts zu tun hatte. Das sprach mir sehr aus dem Herzen. Als ich zur Schule ging, waren noch Begriffe wie Kollektivschuld gefallen, und ich habe nie verstanden, was ich dafür können soll, dass diese schlimmen Verbrechen im deutschen Namen über die Menschheit gekommen waren. Für mich waren und sind die Deutschen das Volk, das die Grauen seiner Vergangenheit am intensivsten von allen aufgearbeitet hat, anders als die Japaner beispielsweise, oder auch Franzosen oder Niederländer. Die haben mit den Fingern auf Deutschland gezeigt und gesagt: „Das waren die Nazis.“ Dass es in ihren Ländern aber die meisten Kollaborateure gab, die den Nazis geholfen haben, die Juden zu finden und die Kommunisten, die diese dann in Konzentrationslager gebracht haben, wurde gern unter den Tisch fallen gelassen. Ähnlich ist es bei den Engländern und dem Kolonialismus oder den Amerikanern mit der Sklaverei, während wir Deutschen die Geschichte vorbildlich in Erinnerung gehalten haben. Deswegen können wir jetzt auch sagen: „Wenn die Italiener oder Griechen hier in Deutschland bei WM-Siegen mit Hupkonzert und Fahne durch die Stadt ziehen, sollen sie doch. Aber wir dürfen das nun endlich auch.“
WELT ONLINE: Werden Sie im Ausland auch darauf angesprochen?
Schweiger: Ich höre seither oft: “Wow, so eine tolle Stimmung, so multikulturell, die Deutschen sind ja gar nicht so, wie wir immer gedacht haben.“ Das war ein wahnsinniger Imagegewinn für unser Land. Als dann im vorigen Jahr Meldungen aus Südafrika kamen, dass es Probleme gab mit der Fertigstellung der Stadien, hatte ich sofort die Hoffnung, dass wir die WM gleich noch mal ausrichten. Hätte ich beim Weltverband Fifa was zu sagen, wäre das so gekommen. Die WM müsste nur noch in Deutschland stattfinden.
WELT ONLINE: Sie selbst sind Fan des FC Bayern, ist das für Ihren in Hamburg lebenden Sohn ein Problem? Oder folgt er dem Vorbild des Vaters?
Schweiger: Er ist kein Fußballfan, er tickt da amerikanischer und interessiert sich mehr für Basketball und macht Kampfsport. Aber meine älteste Tochter ist ganz heiß auf Fußball, sie spielt auch selbst im Verein, und immer, wenn Zeit ist, schaue ich dabei ihr zu.
WELT ONLINE: Sie hätten nichts gegen eine Karriere als Profispielerin einzuwenden?
Schweiger: Warum nicht, wenn sie Lust darauf hat. Außerdem hat der Frauenfußball in den vergangenen Jahren einen riesigen Sprung vollzogen.
WELT ONLINE: Zum Schluss noch ihr Tipp: Wer wird Weltmeister?
Schweiger: Ich tippe nicht, ich hoffe auf Deutschland. Auch, wenn England, die Niederlande oder Brasilien starke Gegner abgeben.