Pietro Lombardi: Der Saubermann-Mythos bröckelt – was wir wirklich feiern, wenn wir ihm zujubeln

Deutschland liebt Geschichten vom Tellerwäscher zum Millionär. Pietro Lombardi passt perfekt in dieses Klischee: geboren 1992 in Karlsruhe, italienisches Temperament im Blut, deutscher Ehrgeiz in den Adern. Ein Junge aus einfachen Verhältnissen, der 2011 „Deutschland sucht den Superstar“ gewann und von der Straßenecke in die Charts katapultiert wurde. „Call My Name“ wurde zum Schlachtruf einer Generation, sein Debütalbum Jackpot zum finanziellen Sprungbrett. Alles klang nach einem Märchen – doch war es jemals eines?

Hinter den goldenen Schallplatten verbirgt sich ein Mann, dessen größter Antrieb nicht der Ruhm ist, sondern die nackte Angst: vergessen zu werden. Lombardi gestand in einem Interview, dass er seit Kindheitstagen von diesem Schatten verfolgt wird. Die Vorstellung, dass eines Tages die Lichter erlöschen, die Fans verstummen und niemand seinen Namen mehr ruft, ist für ihn schlimmer als jeder Skandal. Doch genau dieses Bekenntnis macht ihn unbequem: Ist Pietro wirklich ein Idol – oder ein Getriebener, der uns nur an seine Ängste fesselt?

Seine Karriere ist gepflastert mit Brüchen, die das Bild vom „Superstar“ zerkratzen. Die Ehe mit Sarah Engels wurde einst als „DSDS-Märchen“ vermarktet – zwei junge Herzen, vereint im Rampenlicht. 2013 die Hochzeit, 2015 der gemeinsame Sohn Alessio. Doch drei Jahre später brach alles zusammen, als Fotos von Engels’ Affäre in den Medien explodierten. Pietro erfuhr vom Betrug während eines Fluges – und beschrieb, wie ihm buchstäblich die Luft wegblieb. Ein Idol, das Tränen statt Triumphe zeigt? Die Nation war schockiert, die Boulevardpresse gierig, die Fans gespalten. Für die einen war er Opfer, für die anderen bloß Teil eines inszenierten Dramas.

Doch statt unterzugehen, machte er aus der Demütigung einen Schlachtruf. Mit Songs wie „Kämpferherz“ verwandelte er Schmerz in Kapital. Während andere Sponsoren ihre Zweifel hatten, baute er sein Image als Stehaufmännchen aus. Ein kluger Schachzug – oder eine zynische Ausbeutung seiner eigenen Wunden? Wer profitiert mehr: Pietro oder das Publikum, das Drama wie Brot frisst?

Pietro Lombardi: Traurige Worte über die Trennung von Sarah Engels

Familie – auch hier kein harmonisches Idyll, sondern Zerriss und Versöhnung. Seine Entscheidung, sich in jungen Jahren kompromisslos für Sarah zu stellen, kostete ihn fast sechs Jahre lang den Kontakt zu Eltern und Bruder. Erst später kam die Reue, das langsame Wiedersehen, die Tränen bei Familienabenden, die er jahrelang verpasst hatte. Die Frage bleibt: War das jugendliche Leidenschaft – oder egoistischer Starrsinn, der seine Familie zerbrechen ließ?

Heute präsentiert er die heile Welt mit Laura Rypa, seiner Verlobten und Mutter seiner beiden jüngsten Söhne. Instagram zeigt das perfekte Lächeln, Interviews betonen die neue Stabilität. Doch selbst diese Liebesgeschichte begann mit Trennungspausen und Zweifeln. Wie viel davon ist echte Zweisamkeit – und wie viel sorgfältig gepflegtes Markenbild?

Auch wirtschaftlich lebt Pietro längst nicht mehr nur von Musik. Streetwear-Label, Parfumlinie, Immobilien in Köln und Apulien, Luxusautos vom Porsche bis zum Tesla – all das macht ihn zum Selfmade-Millionär mit geschätzten sechs Millionen Euro Vermögen. Für einen Jungen aus Karlsruhe ein Märchen. Doch kann man wirklich von Bescheidenheit sprechen, wenn die G-Klasse vor der Tür steht und der rote 911 Turbo durch die Straßen jagt? Oder ist es genau das, was Fans sehen wollen: den Beweis, dass einer von ihnen es „geschafft“ hat?

Trotz allem: Pietro bleibt nicht unantastbar. Seine Auftritte als Juror bei DSDS zeigen ihn als schlagfertig, nahbar, humorvoll. Junge Talente sehen in ihm nicht nur den Kritiker, sondern denjenigen, der ihre Ängste kennt. Seine Stimme, seine Geschichte – sie klingen nicht makellos, sondern menschlich. Vielleicht liegt genau hier die Wahrheit: Pietro ist kein Held aus Marmor, sondern aus Fleisch, Blut und Widersprüchen.

Doch das wirft eine unbequeme Frage auf: Feiern wir Pietro Lombardi, weil er so authentisch ist – oder weil er unser Bedürfnis nach Dramen bedient, die uns selbst entlasten? Sein Leben spiegelt die Brüche, die wir bei uns selbst verdrängen. Scheitern, Verrat, Neuanfang, Angst vor Bedeutungslosigkeit – alles, was wir im eigenen Alltag verbergen, lebt er öffentlich aus. Und wir klatschen.

Pietro Lombardi ist keine makellose Musikikone. Er ist eine Projektionsfläche für ein Land, das noch immer nicht weiß, ob es seine Stars auf Händen tragen oder in den Dreck ziehen will. Er ist Kämpfer und Händler, Opfer und Stratege, Idol und Spiegel. Und vielleicht ist das sein größter Triumph: Dass wir gar nicht mehr sicher sind, ob wir ihn bewundern oder ihm misstrauen sollen.

Die Wahrheit ist unbequem: Pietro Lombardi ist nicht der „Superstar“, den Deutschland suchte. Er ist das Kind von Karlsruhe, das uns zwingt, über uns selbst nachzudenken – und uns dabei mehr verstört, als uns lieb ist.