Stefan Waggershausen ist heute ein Mann mit 76 Jahren, dessen Gesicht die Landkarte eines langen, reichen Lebens zeichnet. Die einst verträumte, jugendliche Erscheinung ist einem von tiefen Linien durchzogenen Antlitz gewichen – Falten, die nicht nur Alter, sondern vor allem Geschichten erzählen
. Es sind die Linien einer Melodie voller Sehnsüchte, unvermeidlicher Verluste, aber auch tief empfundener Freuden. Nach Jahrzehnten, in denen sein Privatleben hinter einer Mauer der Verschwiegenheit verborgen blieb, hat Waggershausen nun sein Schweigen gebrochen. Mit einer Offenheit, die überrascht und tief berührt, hat er bestätigt, was seine aufmerksamsten Zuhörer schon immer geahnt haben: Sein Leben war und ist ein tiefgründiges Liebeslied, in dem die emotionalen Ebenen von tiefer Trauer und unerschütterlicher Leidenschaft untrennbar miteinander verwoben sind.
Der Musiker, der in Friedrichshafen geboren wurde, entwickelte schon in jungen Jahren eine fast schicksalhafte Bindung zur Musik. Aufgewachsen in einem Haus, in dem jeden Abend die Tasten des Klaviers und die Klänge klassischer Musik erklangen, schlug Stefans Herz bald für die rohe Ehrlichkeit der Rock- und Folk-Songs der 60er und 70er Jahre.
Er suchte nicht die strenge Form des Konservatoriums, sondern die Freiheit der Gefühle, die sich in selbst geschriebenen Liedern über Jugend, Liebe und ungewisse Träume ausdrücken ließ.

Als er die professionelle Musikszene betrat, etablierte sich Waggershausen schnell als ein vielschichtiges Talent. Er war nicht nur der Mann mit der tiefen, rauchigen Stimme, die Trost spendete und Geschichten erzählte, sondern auch Musiker, Produzent und ein lyrischer Erzähler, dessen Aufrichtigkeit selten zu finden war. Seine Musik, ob sie nun die Liebe besang oder die Einsamkeit, wurde von Fans als ein leiser, verlässlicher Freund empfunden – immer da, wenn man ihn brauchte, ohne laut oder verheißungsvoll zu sein.
Doch hinter den hellen Bühnenlichtern verbarg sich eine Seele, die, wie er selbst zugibt, verletzlicher war als die vieler anderer. Waggershausen liebte intensiv, doch er litt ebenso tief unter den Enden seiner Beziehungen. Er war kein Mann der großen, öffentlichen Gesten, teilte sein Privatleben kaum – aber sein Herz klopfte unüberhörbar in seinen Texten. Lieder wie „Hallo Engel“ oder „Das tut mir doch weh“ wurden zu Spiegeln emotionaler Wunden. Seine Beziehungen, die er als „tief“ beschrieb, endeten oft im Schweigen. Manche Partner verließen ihn, weil er sich zu sehr seiner Kunst hingab, andere, weil sie seine verschlossene, ruhige Persönlichkeit nicht ertragen konnten.
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Familienmitglieder und enge Vertraute beschreiben ihn als jemanden, der von ganzem Herzen liebte, aber nach Verletzungen nur schwer wieder Vertrauen fassen konnte. Jede Trennung war ein Rückzug, ein Stück mehr an Abschottung, bis die Einsamkeit zu einem ständigen, unzertrennlichen Begleiter wurde. Seine Kinder berichteten, wie der starke Vater nach den Auftritten, als der Applaus längst verklungen war, oft stundenlang schweigend dasaß und in die Ferne blickte. Es war, als würde er in diesen stillen Momenten Zwiesprache mit der Vergangenheit halten und sich einer Traurigkeit stellen, die nicht in Worte gefasst, sondern nur in Musik verwandelt werden konnte.
Inmitten des Erfolgs gab es eine Zeit, in der Waggershausen plötzlich von der Bildfläche verschwand. Die Medien spekulierten über Depressionen, über ein mögliches Versagen in der sich wandelnden Musikwelt. Die Wahrheit, die er nun enthüllt, war jedoch eine viel stillere und menschlichere Krise: Es war die Zeit, in der er zu sich selbst zurückfinden musste. Er gestand, dass er das Gefühl hatte, seine Musik könne ihn nicht mehr vor seiner inneren Traurigkeit retten. Er musste die Musik loslassen, um wieder als normaler Mensch leben, lieben und vergeben zu lernen. Diese Zwangspause war kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Akt der Selbstheilung.

Auch seine Karriere erlebte bittere Rückschläge. Nachdem er als einer der einflussreichsten Künstler der 80er und 90er Jahre galt, dessen einzigartiger Musikstil aus deutscher Poplyrik und europäischer Volktiefe zahlreiche Preise einheimste, kam der Moment, in dem seine Musik als altmodisch abgestempelt wurde. Plattenfirmen zogen sich zurück, die Einladungen zu Fernsehsendungen wurden rarer. Er geriet in eine tiefe Krise, in der er den Wert seiner Kunst infrage stellte.
Doch am Tiefpunkt erkannte er das rettende Prinzip: Seine Musik musste nicht der Zeit entsprechen; sie musste nur ehrlich sein. Er kehrte zur Einfachheit zurück und komponierte wieder für sich selbst. Paradoxerweise war es genau diese kompromisslose Aufrichtigkeit, die sein Publikum wieder zu ihm zurückführte. Diese turbulenten Jahre lehrten ihn eine fundamentale Lektion: Wahres Glück ist nicht Lob und Anerkennung, sondern die Treue zur eigenen Leidenschaft. Er bezeichnete es später als seinen größten Erfolg, die Liebe zur Musik nie verloren zu haben, egal wie hoch die Hürden des Lebens waren.
Das Alter brachte dem Künstler nicht nur Weisheit, sondern auch tiefen Kummer und gesundheitliche Herausforderungen. Einer seiner größten Schicksalsschläge war der Verlust eines engen Freundes, der ihn in den Anfängen seiner Karriere begleitet hatte. Der Schock über diesen Tod war so überwältigend, dass Waggershausen fast zwei Jahre lang keine einzige Note schreiben konnte. „Dieses Gefühl des Verlusts“, so sagte er einmal, „war, als ob ein Teil meines Herzens mit dieser Person gegangen wäre“. Auch eine schwere Krankheit zwang ihn später, die Auftritte vorübergehend einzustellen. Obwohl er die Details nie preisgab, sagten Verwandte, es sei die Zeit gewesen, in der er schonungslos mit der Zerbrechlichkeit des Lebens konfrontiert wurde.
Nach seiner Genesung änderte sich sein Blick auf die Welt. Er wurde sanfter, toleranter, dankbarer. Seine neuen Kompositionen handelten nun von Menschlichkeit, Dankbarkeit und der stillen Würde des Alters, berührend durch ihre nun noch tiefere Aufrichtigkeit.
Die Musik ist für Waggershausen bis heute der Lebensinhalt geblieben, die einzige Möglichkeit, mit dem Leben in einen ehrlichen Dialog zu treten. Als sein Sohn ihn fragte, warum er nicht endlich in Rente ginge, um ein angenehmeres Leben zu führen, lächelte der Künstler nur und antwortete: „Wenn ich aufhören würde zu komponieren, würde ich aufhören zu atmen“.
Mit 76 Jahren sind seine Träume bescheidener geworden. Er jagt keinen großen Bühnen oder Auszeichnungen mehr hinterher. Was er sich wünscht, ist, noch ein paar Lieder schreiben zu dürfen – Lieder, die die Geschichte eines Lebens erzählen, das geliebt, verletzt und gehofft hat und trotzdem immer noch lächelt. Er möchte nicht als „Star“ in Erinnerung bleiben, sondern als „jemand, der aus dem Herzen sang“.
Das wohl tiefgründigste Bekenntnis legte er in einem kürzlichen Interview ab, als er über die größte Traurigkeit in seinem Leben sprach: „Vielleicht war es, als mir klar wurde, dass nicht jede Liebe retten kann und nicht alle Träume wahr werden“. Doch er fügte mit einer Weisheit hinzu, die nur aus der Tiefe der Erfahrung kommen kann: „Aber vielleicht lernen wir gerade deshalb, das zu schätzen, was wir haben.“ Dieses Zitat fasst die Essenz seines Lebens zusammen: Glück ist nicht die Abwesenheit von Traurigkeit, sondern die Fähigkeit, inmitten dieser Traurigkeit ein Lächeln zu finden.

Die Traurigkeit in seinem Leben will er heute nicht mehr verbergen oder bekämpfen. Er hat gelernt, sie als einen unzertrennlichen Teil seiner selbst zu akzeptieren, ja, sogar als Quelle seiner Kreativität. Er ist überzeugt, dass er ohne Traurigkeit keine Melodien schreiben könnte, die andere so tief berühren. In seiner Musik ist die Melancholie kein Ausdruck von Dunkelheit, sondern ein sanftes Licht, das die tiefsten Winkel der menschlichen Seele erhellt.
Wenn man die Geschichte von Stefan Waggershausen heute weitererzählt, spricht man von der erlernten Kunst der Akzeptanz: das Vergehen der Zeit hinzunehmen, die Dinge, die sich nicht ändern lassen, und die Tatsache, dass Traurigkeit zum Leben gehört. Er lebt friedlich, pflegt seinen kleinen Garten und verbringt seine Morgenstunden allein bei Spaziergängen, um sein Herz am deutlichsten hören zu können.
Stefan Waggershausen ist die Verkörperung des Künstlers, der wahrhaftig lebt, wahrhaftig liebt und wahrhaftig traurig ist. Sein Leben ist ein langes, unvollkommenes, aber überaus schönes Lied, dessen Melodie nicht verstummt ist. Er schreibt noch immer sein letztes Kapitel – ein Kapitel des Friedens, der Dankbarkeit und des tiefen Glaubens, dass Musik immer ein Licht sein wird, das die Seele erleuchtet, egal wie turbulent das Leben auch sein mag. Er hat gelebt, geliebt, versagt und verloren, aber er hat auch gelacht, gesungen und Lieder hinterlassen, die die Herzen von Millionen berührt haben, und das ist der bleibende Wert, für den er in Erinnerung bleiben möchte.