Es klingt wie eine groteske Farce, doch sie ist bittere Realität: Brigitte Macron, Frankreichs First Lady, sieht sich gezwungen, vor einem US-Gericht Fotos und möglicherweise intime Beweise vorzulegen – nur um eine absurde Verschwörungstheorie zu entkräften. Eine Theorie, die so bizarr ist, dass sie eigentlich gar nicht ernsthaft diskutiert werden dürfte. Und doch findet sie Millionen Zuhörer.
Im Zentrum steht die rechtsgerichtete US-Influencerin Candace Owens, eine Frau mit Millionenpublikum auf YouTube und X, die seit Jahren mit provokanten und oft widerlegten Behauptungen Schlagzeilen macht. Owens behauptet, Brigitte Macron sei nicht als Frau geboren worden. Eine Behauptung, die jeder Logik widerspricht – und trotzdem eine Dynamik entfaltet hat, die weit über den digitalen Raum hinausreicht.
Die Macrons ziehen nun vor Gericht, klagen im US-Bundesstaat Delaware wegen Verleumdung. Ihr Anwalt Tom Clare kündigte an, im Prozess Fotos vorzulegen, die Brigitte als schwangere Frau oder beim Großziehen ihrer Kinder zeigen. „Das sind alles Materialien, die wir beabsichtigen, vor Gericht vorzulegen, damit es alle sehen können“, sagte Clare in einem BBC-Podcast. Was wie ein schlechter Witz klingt, wird damit zur düsteren Realität: Eine Präsidentengattin muss intime Momente ihres Lebens ins Rampenlicht zerren, um die grotesken Angriffe einer Influencerin zu entkräften.
Doch wer jetzt glaubt, die Sache sei klar und die Wahrheit leicht zu beweisen, irrt. Der Prozess könnte sich zu einem medialen Spektakel entwickeln, das noch tiefer in die Privatsphäre des Präsidentenpaars eindringt. Allein die Tatsache, dass Fotos von Schwangerschaften oder Familienmomenten als „Beweisstücke“ vorgelegt werden sollen, zeigt, wie zerstörerisch die Dynamik digitaler Lügen inzwischen ist.
Besonders erschreckend ist die Chuzpe von Candace Owens. Anstatt nach der Klage klein beizugeben, legte sie nach – mit noch wilderen Unterstellungen. Sie behauptete, Emmanuel und Brigitte Macron seien miteinander verwandt. Solche Fantasiegeschichten würden normalerweise in obskuren Internetforen verhallen. Doch durch Owens Reichweite – rund 5 Millionen Abonnenten auf YouTube, 7 Millionen auf X – erreichen sie ein weltweites Publikum.
Die Klage der Macrons beschreibt eine „globale Erniedrigungs-Kampagne“: invasiv, entmenschlichend, zutiefst unfair. 22 Anklagepunkte umfasst die Klageschrift. Doch das eigentlich Verstörende liegt tiefer: Selbst die mächtigsten und sichtbarsten Personen Europas sind nicht mehr geschützt vor den bizarrsten Attacken aus den sozialen Medien.
Dabei ist Candace Owens keine Unbekannte. Sie wurde bereits 2024 von der australischen Regierung ausgewiesen, weil sie Lügen über den Holocaust und Muslime verbreitet hatte. Sie ist ein Symbol dafür, wie weitreichend und zerstörerisch das Geschäft mit Falschinformationen inzwischen geworden ist – und wie schwer es ist, Lügen wieder einzufangen, wenn sie einmal in die Welt gesetzt sind.
Doch so sehr die Macron-Klage moralisch gerechtfertigt scheint, so gefährlich ist sie juristisch. Denn was passiert, wenn Owens den Prozess nutzt, um noch mehr Aufmerksamkeit zu generieren? Was, wenn intime Details der Macron-Familie plötzlich öffentlich seziert werden? Die Gefahr, dass dieser Prozess die Demütigung noch vergrößert, liegt auf der Hand.
Es ist ein Dilemma: Ignoriert man die absurden Behauptungen, können sie sich ungehindert verbreiten. Kämpft man dagegen an, verleiht man ihnen Sichtbarkeit und Gewicht. Emmanuel und Brigitte Macron haben sich für den Kampf entschieden – wohl wissend, dass er schmutzig, invasiv und verletzend werden wird.
Noch brisanter ist die politische Dimension. Ein französisches Präsidentenpaar muss sich vor einem US-Gericht rechtfertigen, weil eine amerikanische Influencerin sie verleumdet. Das ist mehr als ein privater Konflikt – es ist ein Symbol für die Machtverschiebung in einer Welt, in der Social Media Akteure die Agenda bestimmen können, selbst wenn ihre Aussagen völlig haltlos sind.
Der Anwalt der Macrons, Tom Clare, sprach von einem wissenschaftlichen Gutachten, das zusätzlich vorgelegt werden soll. Doch allein dieser Satz lässt frösteln: Brauchen wir im Jahr 2025 tatsächlich ein Expertengutachten, um zu beweisen, dass eine Frau, die Kinder geboren hat, auch wirklich eine Frau ist? Die Absurdität dieser Frage ist kaum zu überbieten – und doch wird sie in einem Gerichtssaal verhandelt.
Die Sache ist längst kein privates Drama mehr, sondern eine gesellschaftliche Anklage: Wie konnte es so weit kommen, dass Lügen dieser Art nicht nur kursieren, sondern politische Führungspersönlichkeiten auf der ganzen Welt in die Defensive zwingen?
Vielleicht liegt die Antwort in einer einfachen Wahrheit: Lügen sind leichter zu verbreiten als Wahrheiten. Und je absurder die Lüge, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt sie. Candace Owens hat das verstanden – und nutzt es schamlos aus.
Brigitte Macron aber, die Frau an der Seite des Präsidenten, steht nun vor einer Entscheidung, die sie nicht gesucht hat. Kämpfen, um die Wahrheit zurückzuholen, und dafür riskieren, dass die intimsten Momente ihres Lebens öffentlich zerpflückt werden. Oder schweigen – und zulassen, dass die absurde Unterstellung zur „gefühlten Wahrheit“ für Millionen wird.
Der Prozess in Delaware wird zeigen, welchen Preis die Wahrheit in der digitalen Gegenwart hat. Sicher ist nur eines: Es wird kein stilles Verfahren. Es wird ein globales Medienspektakel, das schon jetzt in aller Welt für Schlagzeilen sorgt. Und am Ende könnte die eigentlich groteske Unterstellung mehr Schaden anrichten, als jede nüchterne Lüge es je gekonnt hätte.