Es war der Abend, auf den seine treuesten Anhänger jahrelang gewartet hatten – und den seine Kritiker am liebsten verhindert hätten. Michael Wendler, 53, der umstrittene König des Schlagers, kehrte am Samstag in die große Arena zurück. 5.500 Menschen drängten in die Rudolf-Weber-Arena in Oberhausen, um ihn zu sehen. Es war sein größter Auftritt in Deutschland seit Jahren, ein Abend zwischen Euphorie, Nostalgie und dem unübersehbaren Schatten einer Karriere, die er selbst fast zerstört hätte. Während seine Fans lauthals mitsangen, bleibt die Frage bestehen: Kann man wirklich zurückkommen, wenn man einmal alles verspielt hat?
Denn vergessen ist nichts. Während der Corona-Pandemie hatte Wendler nicht nur Fans, sondern auch Glaubwürdigkeit verloren. Mit fragwürdigen Aussagen über Politik, Medien und Maßnahmen katapultierte er sich selbst ins Abseits. Der Mann, der mit seinen Schlagern die Massen zum Schunkeln brachte, wurde plötzlich zum Gesicht der Verschwörung. RTL feuerte ihn aus der DSDS-Jury, Werbepartner sprangen ab, Konzertveranstalter distanzierten sich. Was blieb, war ein Sänger, der in Florida ausharrte, während seine Karriere in Deutschland in Scherben lag. Doch Wendler wäre nicht Wendler, wenn er sich davon stoppen ließe.
Jetzt also das große Comeback. Vor der Show wurde hitzig diskutiert, ob man so jemanden überhaupt wieder auftreten lassen dürfe. Eine Petition versuchte das Konzert zu verhindern, Proteste kündigten sich an, doch am Ende setzte sich Wendler durch. Und tatsächlich: Der Abend verlief ohne Zwischenfälle, die Halle bebte, die Fans feierten ihn, als wäre nie etwas gewesen. Zwischen Schlagern und Schlagerklischees sangen sie jedes Wort mit, jubelten ihm zu, schrien nach Zugaben. Ein Triumph? Oder nur die letzte Zuckung einer Karriere, die längst verbrannt ist?
Wendler selbst zeigte sich angriffslustig. Zwischen den Songs griff er zum Mikrofon und sprach über die Vergangenheit. „Man hat es mir ein bisschen schwer gemacht, wieder in Deutschland aufzutreten“, sagte er und ließ keinen Zweifel daran, wen er meinte: die Medien, die Kritiker, die Gegner, die ihn seit Jahren attackieren. „Mir sind sehr viele Steine in den Weg geworfen worden. Was man mit mir gemacht hat, fand ich nicht gerade fair.“ Worte, die wie ein Trotz klingen, wie ein Mann, der sich in der Opferrolle eingerichtet hat. Statt Reue gab es Vorwürfe. Statt Entschuldigung gab es Verteidigung. Statt Brücken zu bauen, lieber die alte Front.
Doch während er diese Sätze sprach, jubelte die Menge. Für seine Fans ist er ohnehin mehr als ein Sänger – er ist Symbolfigur, Projektionsfläche, der „ewige Wendler“, der sich von niemandem unterkriegen lässt. Und so schien der Abend für sie ein Triumph über alle Kritiker zu sein, ein Beweis dafür, dass ihre Loyalität stärker ist als jede Schlagzeile.
Aber reicht ein Abend für eine echte Rückkehr? Hier beginnt der Zweifel. Denn Oberhausen war voll, ja – aber auch, weil es das erste große Comeback war. Die Neugier war riesig, die Spannung ebenso. Doch was passiert beim zweiten Mal, beim dritten Mal? Wird das Publikum immer wieder strömen? Oder war es nur die Faszination des Skandals, die den Saal füllte?
Denn Wendler steht noch immer vor einem Scherbenhaufen. Sein Ruf ist beschädigt, große Sender meiden ihn weiterhin, Werbepartner halten Abstand, das Vertrauen vieler ist irreparabel zerstört. Ein Konzert mit 5.500 Fans mag ein Achtungserfolg sein, doch es ersetzt keine breite Karriere. Wendler kann Hallen füllen, aber kann er auch wieder im Fernsehen auftreten, wieder ins Mainstream-Deutschland zurückkehren? Oder bleibt er ein Künstler, der zwar gefeiert, aber zugleich verachtet wird – ein Mann, der nie mehr ganz ankommen darf?
Die Geschichte dieses Abends ist deshalb nicht nur die Geschichte eines Konzerts. Es ist die Geschichte eines Mannes, der gefallen ist, der sich selbst ins Aus manövriert hat und nun zurück will – koste es, was es wolle. Einer, der die Schuld stets bei anderen sucht, nie bei sich. Einer, der gleichzeitig Opfer und Täter ist. Für die einen ist er der missverstandene Künstler, der unfair behandelt wurde. Für die anderen bleibt er ein Symbol dafür, wie schnell ein Mensch sich selbst ins Abseits reden kann.
Und während die Halle in Oberhausen am Ende tobte, während Wendler das Bad in der Menge genoss, während seine Fans in Ekstase lagen, blieb die Frage im Raum hängen: Ist das der Anfang einer zweiten Karriere – oder nur ein letzter großer Abend, bevor der Vorhang endgültig fällt?
Vielleicht liegt genau darin die Faszination: dass niemand weiß, wie diese Geschichte endet. Ob Wendler tatsächlich wieder ein fester Teil der deutschen Schlagerszene wird, oder ob er in ein paar Monaten wieder in Florida verschwindet, vergessen, verspottet, erledigt. Für einen Abend war er zurück im Rampenlicht. Doch das Rampenlicht ist trügerisch – es blendet, es wärmt, aber es verbrennt auch. Michael Wendler kennt diese Erfahrung besser als jeder andere.
Und so bleibt von Oberhausen ein Bild: ein Sänger, der singt, als wäre nichts geschehen. Ein Publikum, das jubelt, als hätte es nichts vergessen. Und ein Land, das spaltet wie selten zuvor, wenn es um einen Schlagersänger geht. Michael Wendler – gefeiert, verachtet, umstritten. Sein Comeback hat das alles nicht verändert. Es hat es nur noch sichtbarer gemacht.