Es ist ein Bild, das bleibt – nicht wegen Glanz, sondern wegen des Fremdschämens. Gloria-Sophie Burkandt, Tochter des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, stand im Studio, die Uhr tickte, einfache Kopfrechen-Aufgaben leuchteten auf, und doch schien die Zeit schwerer zu wiegen als Zahlen.
Nur drei richtige Lösungen in 30 Sekunden – ein Resultat, das für eine Schülerin kaum akzeptabel wäre, für die Tochter eines Spitzenpolitikers jedoch ein mediales Erdbeben auslöste. Während Fußball-Legende Mario Basler souverän neun richtige Aufgaben ablieferte, kämpfte Burkandt mit Tränen. Sie murmelte ein Geständnis, das wie ein Mantra der Ratlosigkeit klang: „Kopfrechnen war noch nie mein Ding.“ Ein Satz, der gleichzeitig entlasten und belasten sollte, und doch alles andere als befreiend wirkte. Denn das Publikum sah nicht nur eine schwache Leistung, sondern auch die nackte Unsicherheit einer Frau, die in einer Gesellschaft lebt, die ihre Herkunft niemals von ihrer Leistung trennt.
Aber die Niederlage im Rechnen war nur der Auftakt zu einer noch größeren Bloßstellung. Beim Politiker-Quiz entglitt Gloria-Sophie endgültig die Fassung. Helmut Kohl – jener Kanzler, der wie kaum ein anderer die deutsche Geschichte geprägt hat – blieb für sie namenlos. Mehr noch: Sie hielt ihn sogar für einen SPD-Politiker.
Ein Patzer, der nicht nur Unwissen, sondern einen Mangel an Allgemeinbildung offenbarte, der unter den Augen einer Fernseh-Nation doppelt schmerzt. Konrad Adenauer, der erste Kanzler der Bundesrepublik, blieb für sie ebenso fremd. Ihre einzige Rettung: Schweigen. „Ich will lieber nichts sagen, damit ich mich nicht blamiere.“ Doch genau dieses Schweigen war die Blamage. Denn wer nichts sagt, sagt in solchen Momenten am meisten – über Unsicherheit, über Bildungslücken, über das Gewicht der eigenen Rolle in der Öffentlichkeit.
Und während Burkandt in Scham zu versinken drohte, machte Reality-Star Alessia Herren das Debakel komplett. Die Tochter des verstorbenen Willi Herren brachte es fertig, Annalena Baerbock kurzerhand zur Bundeskanzlerin zu erklären. Ein Satz, der wie eine satirische Schlagzeile klang, doch todernst gemeint war. Später verwechselte sie sogar Sahra Wagenknecht mit Baerbock – ein Fehler, der nicht nur Politiker, sondern auch Zuschauer in fassungsloses Kopfschütteln trieb. Wie kann man zwei der markantesten Frauen der deutschen Politik miteinander verwechseln? War es pure Unaufmerksamkeit oder ein Mangel an Orientierung im politischen Diskurs? Herren selbst rettete sich in Ausreden, klagte über die Zeitnot, stöhnte: „Ich brauche mehr Zeit.“ Doch Zeit hätte auch das Grundproblem nicht gelöst – sie brachte ebenso nur drei Ergebnisse zustande.
Die Sendung, die sich selbst „Deutschlands dümmster Promi“ nennt, wurde damit zu einer perfiden Bühne für die Selbstentlarvung. Denn was als Unterhaltung mit ironischem Unterton gedacht war, entfaltete sich vor laufender Kamera als schonungslose Demaskierung von Unwissenheit und Selbstüberschätzung. Es ist nicht nur die Peinlichkeit der Prominenten, die hier sichtbar wird – es ist auch die Lust der Zuschauer am Scheitern. Fremdscham als Quotengarant, Blamage als Unterhaltungsprinzip.
Und dann die nächste Wendung, die das Format endgültig ins Absurde trieb: Dolly Buster, einst Sex-Ikone, musste nach dem Tod ihres Ehemanns aus gesundheitlichen Gründen aussteigen. Ein Moment, der eigentlich Respekt und Mitgefühl verlangte, doch im Kontext dieser Sendung fast grotesk wirkte. Denn Pro7 fand Ersatz nicht in einer ernstzunehmenden Persönlichkeit, sondern in Manni Ludolf, einem TV-Schrottstar. So wurde aus einer tragischen Nachricht ein weiterer Baustein in einer Kette der Skurrilitäten. Dolly erklärte später: „Die Show ist wirklich fantastisch gut geworden, aber ich habe zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt teilgenommen.“ Ein Satz, der gleichzeitig ehrlich und entlarvend klang – ehrlich in Bezug auf ihr persönliches Drama, entlarvend in Bezug auf eine Sendung, die ausgerechnet durch das Unglück anderer Aufmerksamkeit generiert.
Moderatorin Gülcan Kamps dagegen glänzte – zumindest im Kontrast. Mit den meisten richtigen Antworten stellte sie unter Beweis, dass Bildung und Präsenz nicht zwangsläufig Feinde des Entertainments sein müssen. Doch was bleibt in Erinnerung – ihre Souveränität oder die Blamagen der anderen? In einer Medienlogik, die Skandale höher bewertet als Leistungen, ist die Antwort klar.
Das Fazit der Sendung lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Fremdschämen. Doch es wäre zu einfach, dies nur den Kandidaten zuzuschreiben. Denn wer zuschaut, ist Teil des Spiels. Wir empören uns, wir lachen, wir diskutieren, und doch sind wir es, die das Format durch unsere Aufmerksamkeit legitimieren. „Deutschlands dümmster Promi“ ist damit weniger ein Spiegel der Kandidaten als vielmehr ein Spiegel unserer Gesellschaft. Einer Gesellschaft, die Bildungslosigkeit skandalisiert und gleichzeitig genüsslich konsumiert. Einer Gesellschaft, die sich moralisch überlegen fühlt, während sie das Scheitern anderer als Abendunterhaltung feiert.
Und hier liegt der eigentliche Skandal. Nicht, dass Prominente wie Burkandt oder Herren Bildungslücken offenbaren – das mag peinlich sein, ist aber menschlich. Der Skandal ist, dass wir es sehen wollen. Dass es Quoten bringt, wenn Menschen in ihrer Unsicherheit zerbrechen. Dass Sender wie Pro7 Formate kreieren, die gezielt auf Blamagen setzen. Das Scheitern wird zur Ware, die Scham zur Währung, und die Kandidaten sind die Opfer – oder die willigen Mitspieler – in einem Spiel, das niemand gewinnt.
Man könnte sagen: Die Show ist harmlos, bloß Unterhaltung. Doch Unterhaltung prägt Bilder, und Bilder prägen Denken. Wenn eine Generation junger Menschen in diesem Format lernt, dass man Politiker nicht kennen muss, dass man im Kopfrechnen versagen darf, solange es für Lacher sorgt, dann ist das nicht nur lustig. Es ist gefährlich. Denn es normalisiert Ignoranz, es verklärt Unwissenheit zum Spektakel und degradiert Bildung zur Nebensache.
Am Ende bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Für die Kandidaten mag die Show ein peinlicher Ausrutscher sein, für die Zuschauer ein Abend voller Belustigung. Doch unter der Oberfläche ist es ein Symptom einer Kultur, die Wissen weniger schätzt als Quote, die Bildung weniger honoriert als Klicks, die sich an der Schwäche anderer berauscht. „Deutschlands dümmster Promi“ ist damit kein harmloses Format – es ist ein Spiegel, in dem wir uns selbst erkennen müssten, auch wenn uns das Bild nicht gefällt.